Mein Abenteuer in Kenia
Die ersten Vorbereitungen des Abenteuers begannen schon im Sommer letzten Jahres, als ich die Zusage für eine Exkursion meines Geographiestudiums nach Uganda und Ruanda bekam. Nach ein bisschen Planung war klar: Im Januar würde ich mit Lively Sunrise e.V. zusätzlich für fünf Wochen nach Kenia reisen und dann mit einem Bus die Grenze nach Uganda überqueren. Es war alles noch so weit weg und doch freute ich mich schon riesig darauf.
Kurz vor der Reise holte ich noch einiges Gepäck bei Cati und Achim ab und erhielt ein paar Tipps für das Treffen mit Kiki am Flughafen von Nairobi, um am nächsten Morgen nicht komplett verloren zu sein. Eins der Gepäckstücke war nämlich für Kiki und Toni gedacht, weswegen Kiki früh morgens extra ein paar Stunden nach Nairobi anreiste und mich nach meinem langen Flug am Flughafen erwartete. Ich war etwas nervös vor dem Treffen, doch die Nervosität verflog schlagartig, als Kiki mich sofort in ihre Arme schloss. Wir telefonierten kurz mit Cati und Achim, die extra mitten in der Nacht für uns aufgestanden waren, und schon ging es für mich zum nächsten Flug.
Nach weiteren zwei Stunden landete ich endlich in Kisumu, wo mich eine aufgeregt winkende und strahlende Patenmama Linet erwartete. Wir waren beide froh, dass wir uns sofort gefunden hatten und stiegen zusammen in das Taxi, das uns nach Nyakwaka brachte.
Im Dorf angekommen, begrüßte mich Evelyne mit einem ebenso großen Lächeln, schwarzem Tee, Obst und leckerem Chapati. Ich fühlte mich sofort wohl und alle drei fielen wir abends erschöpft aber glücklich ins Bett.
Die folgenden zwei Wochen wohnte ich auf dem Dorf und half bei allen anfallenden Tätigkeiten.
Ich war erstaunt, wie schnell ich mich an die neue Situation gewöhnte. Einen Großteil des Tages verbrachten wir beim Kochen in der Küche. Wobei Küche hier heißt, dass ein Feuer an der von Malika gebauten Feuerstelle entzündet wird. Auf dieser Feuerstelle wurde dann alles gekocht und wir unterhielten uns nebenbei. Ich war sehr froh über die Offenheit der beiden Patenmütter, wodurch wir sofort auf einer Wellenlänge zwischen tiefgründigen Gesprächen und kleinen Plaudereien hin- und herwechselten.Eins meiner Highlights war die Herstellung der Chapatis. Normalerweise gab es sie lediglich ab und zu. Da jedoch Chapatis mit grünen Linsen zu meinem Lieblingsgericht wurde, gab es sie nicht nur öfter unter der Woche, mir wurde auch genauestens beigebracht, wie ich Chapati auch in Deutschland selbst herstellen könnte. Als kleine Gegenleistung zeigte ich ihnen, wie sie ganz einfach Kartoffelbrei zubereiten können.
Neben dem Kochen gehörten zu den Tagesaufgaben das Geschirr- und Wäschewaschen – alles mit der Hand – und die Begutachtung der Arbeit der Handwerker, die den Brunnen reparierten. Der vom Verein gesponserte Brunnen war nämlich mit Schlamm vollgelaufen und musste von innen verstärkt werden. Die drei Handwerker schufteten täglich in der prallen Sonne und stellten den Brunnen nach zwei Wochen Arbeit fertig. Von da an konnten wir wieder Wasser mit dem Brunnen pumpen und niemand musste mit Schubkarre oder Fahrrad zum Fluss, um Wasser zu schöpfen. Für Lebensmittel fuhren wir regelmäßig mit Boda Bodas nach Funyula, um auf dem Markt einzukaufen. So hatte ich meine erste Fahrt auf einem Motorrad, doch nach zwei drei wackligen Minuten, fühlte ich mich sehr wohl und genoss den Fahrtwind. Zur Sicherheit saß auch immer eine der beiden Patenmütter hinter mir und wir kamen überall heil an.
Der Visiting Day der Schulen, welcher einmal im Monat angeboten wird, war ein weiteres Highlight meines Aufenthalts. Linet, Evelyne, Fresia und ich besuchten Solomon in der Nambale Boys High School. Es war ein richtig schöner Tag mit Marschkapelle, Gottesdienst, Gesängen und Ansprachen. Besonders die gemeinsamen Gesänge dieser vielen Menschen blieben mir noch länger im Gedächtnis. Nach sehr netten Gesprächen übergaben wir Solomon zum Abschied einige Kleinigkeiten und machten uns wieder auf den Heimweg.
Auch Michael besuchten wir während meiner Zeit in seinem Internat. Er führte uns herum und zeigte uns alle wichtigen Räume. Nicht nur der Unterrichtsraum war mit ungefähr 50 Schülerinnen und Schülern sehr voll, auch die Schlafsäle waren ausgebucht, aber das Gelände war sehr schön angelegt. Für Michael kamen wir zu einem sehr passenden Zeitpunkt, da sein Koffer mit allen Habseligkeiten aufgebrochen worden war. Wir ließen den Koffer sofort gegenüber von der Schule am Straßenrand reparieren und kauften zwei neue Schlösser.
An einem Wochenende kam auch Melvine zu Besuch ins Dorf. Sie hatte extra einen Flug von Nairobi gebucht und wir freuten uns alle sehr. Für die drei Tage waren wir unzertrennlich. Wir redeten viel und kochten gemeinsam. An einem Morgen zeigte ich den Familien auch, wie Eierkuchen (Pfannkuchen) zubereitet werden. Anschließend folgte einer der schweren Abschiede, denn Melvine flog zurück zu ihrer Uni in Nairobi.
Ein wichtiger Bestandteil neben den schönen Treffen mit einigen Patenkindern waren Verhandlungen mit einem lokalen Tischler. Er sollte schon seit Gesprächen im vergangenen Oktober vier Regale bauen. Doch er hielt sich über Monate nicht an die Absprachen, weswegen ich mehrfach mit ihm verhandeln und gut auf ihn einreden musste. Erst dann fing er langsam mit seiner Arbeit an. Es sollte schließlich meine gesamte Aufenthaltsdauer und mindestens sieben oder acht Gespräche dauern, aber wir erreichten unser Ziel und im Februar erhielten die Kinder endlich ihre langersehnten Regale.
So wie Malika war ich während meines Aufenthalts in Kenia außerdem ab der dritten Woche in der St. Clanne Academy in Funyula und erlebte für vierzehn Tage den Schulalltag einer kenianischen Grundschule hautnah. Die St. Clanne Academy ist teilweise Ganztags- teilweise Halbtagsschule. Das bedeutet, dass Kinder zum Internat angemeldet werden können, was vor allem in den höheren Klassen empfohlen wird. Andere Kinder können jedoch auch wie in Deutschland üblich nachmittags nach Hause gehen.
In der Schule wurde ich mit ausgebreiteten Armen der Lehrer und Lehrerinnen begrüßt und vom Headteacher in allen Klassen vorgestellt. Der entgegengebrachte Gehorsam war für mich schon etwas ungewohnt, denn jede Klasse stand auf und antwortete dem Lehrer die immer gleiche Satzreihenfolge im Chor. Niemand scherzte oder traute sich aus der Reihe zu fallen. Anschließend durfte ich mich bei einigen Klassen in den hinteren Teil des Klassenraums setzen und den Lehrenden zuschauen. Die Kinder und ich waren noch etwas schüchtern, doch das sollte sich schnell ändern.
Am Nachmittag wurde ich von der Internatslehrerin Josselyne noch einmal gesondert den Internatskindern vorgestellt und einige kamen direkt mit interessierten Fragen zu mir. So lernte ich vor allem die achte Klasse kennen, die vollständig im Internat lebt. Viele erinnerten sich noch an Malika und freuten sich darauf, die nächsten zwei Wochen mit mir verbringen zu dürfen. Da sie jedoch auf die Abschlussprüfungen vorbereitet wurden, sollte ich sie im Schulalltag nicht unterrichten. Deswegen erledigten sie abends ihre Hausaufgaben besonders schnell, um noch etwas Deutsch oder Französisch beigebracht zu bekommen. Alle anderen Klassen besuchte ich abwechselnd während des Vor- und Nachmittags.
In den Klassen 1 bis 4 unterrichtete ich Französisch, da sie einen veränderten Lehrplan haben und in Zukunft auch Französisch lernen werden. Mit mir konnten sie schon einmal in die Sprache hineinschnuppern. Die älteren Klassen unterrichtete ich in Deutsch und besonders spannend war, was sie alles aus dem Unterricht mit Malika in Erinnerung behalten hatten. Vor allem die Zahl 7 schien sich bei allen eingeprägt zu haben. Außerdem konnten einige Schülerinnen noch das Lied „Zum Geburtstag viel Glück“ singen. Alle Klassen freuten sich jedes Mal, wenn ich zu ihnen in den Unterricht kam und wir mal Lieder wie Bruder Jakob/Frère Jacques einstudierten und mal Zahlen und kleine Sätze lernten. Einige Kinder ließen sich sogar extra Hefte für meine Fächer besorgen, was mich sehr rührte.
Neben dem Unterricht hat mir die Zeit am Nachmittag und am Wochenende mit den Internatskindern sehr gefallen. Wir spielten Spiele, unterhielten uns über unsere verschiedenen Kulturen und Länder und ich brachte einigen Kindern ein paar Tänze wie zum Beispiel Macarena bei. Wir hatten immer sehr viel Spaß zusammen.
Lediglich das Thema Gewalt an den Schulen bereitete mir etwas Sorge. Ich hatte im Vorfeld Malikas Bericht gelesen und mich innerlich schon etwas darauf vorbereitet. In der ersten Woche bemerkte ich noch nichts, doch in der zweiten Woche schienen alle wieder zu einer Art Alltag zurückgekehrt zu sein. Deswegen beobachtete ich leider hin und wieder Androhung oder Ausführungen von beispielsweise Ohrfeigen. Leider konnte ich jedoch kein Gespräch mit dem Headteacher mehr führen. Ich fand es sehr traurig, dass alle zu mir besonders nett waren, es teilweise bei den Kindern aber anders gehandhabt wurde. Dennoch würde ich für viele Lehrerinnen und Lehrer die Hand ins Feuer halten, dass sie niemals Gewalt ausüben würden.
In der letzten der fünf Wochen war wieder etwas Zeit im Dorf angesetzt. Nach einem tränenreichen Abschied von den Kindern und Lehrenden war ich auch froh, wieder etwas länger schlafen zu können und die tolle Zeit mit einem Aufenthalt im Dorf ausklingen zu lassen. Wir aßen täglich unglaublich leckeres Obst, unterhielten uns über Erlebnisse der letzten Wochen und fuhren auch einen Tag zum Lake Victoria. Es war ein schöner Abschluss.
Am letzten Tag fuhren Linet, Evelyne und ich noch einmal gemeinsam nach Busia. Dort sollte ich eine Kommilitonin treffen, die auch etwas durch Kenia gereist war und nun mit mir die Grenze überquerte. Wir wussten, dass ihr Bus irgendwann nachmittags ankommen sollte und machten vorher noch ein paar letzte Erledigungen. Doch man sollte die Fahrpläne nicht mit deutschen Plänen vergleichen. Während nämlich zunächst fünf Stunden angesagt wurden, benötigte der Bus letztendlich 13 Stunden und wir waren alle vier einfach froh, als wir uns in die Arme schließen konnten. Es folgte ein schneller Abschied, denn Linet und Evelyne mussten noch eine Mitfahrgelegenheit zurück ins Dorf erhaschen, und damit war das Abenteuer Kenia auch schon wieder vorbei.
Die Zeit ist so schnell verflogen und alle Menschen, denen ich begegnet bin, waren unglaublich nett und zuvorkommend. Ich danke allen und vor allem Cati, Achim und Lively Sunrise e.V. für diese großartige Reise und das Ermöglichen dieser wundervollen Momente. Ich werde noch lange daran zurückdenken und wer weiß, wann ich das nächste Mal nach Kenia reisen werde.