Loris Halama – Von Wilhelmsruh nach Kenia

Mein Reisebericht über Entwicklungszusammenarbeit und Hilfe zur Selbsthilfe in Afrika

Vom 21. März bis 14. April 2022 reiste ich als Vertreter des Vereins „Lively Sunrise e.V.“ nach Kenia, um dort alle Patenfamilien mit ihren Kindern zu besuchen. Der Verein betreut sechs alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern und unterstützt sie finanziell, damit sie in die Schule gehen, studieren und Lebensmittel kaufen können. Vier von den Familien habe ich auf meiner Reise besucht und habe in jeder Familie einzigartige und unvergessliche Erfahrungen gemacht. Dieser Artikel widmet sich meinen ersten zwei Stationen.

Die ersten fünf Tage habe ich 40 km nördlich von Nairobi in der ländlichen Region von Saba Saba bei Kiki und Toni verbracht. Nachdem ich mich an die Luftverschmutzung gewöhnte und den abenteuerlichen kenianischen Straßenverkehr überstand, bewunderte ich das Haus von Kiki, das durch den Verein ein Dach, Innenwände und einen Fußboden bekam. Die spartanische Hauseinrichtung zeigte mir, dass zum Leben vor Ort nicht viel benötigt wird und dass ein Spiegel und eine Herdplatte, wie wir sie in Deutschland üblicherweise vorfinden, etwas wirklich Besonderes sein können. Gekocht hat Kiki ausschließlich auf dem Gaskocher in der Küche, wobei die Qualität ihres Essens darunter nicht litt. Das traditionelle Gericht „Ugali“, Maisbrei, sowie die Fladenbrote „Chapati“ habe ich in vollen Zügen genossen.

Das fünfzehnjährige Patenkind Toni hatte zu dieser Zeit Ferien, sodass er aus dem Internat nach Hause gekommen ist. Diese Gelegenheit nutzte ich, um meiner gemeinnützigen Aufgabe nachzukommen. Ihn unterrichtete ich in Biologie und Chemie und bekam so Einblicke in den Lehrstoff. In diesem Zusammenhang berichtete er mir auch von seinem Schulalltag, der nichts für schwache Nerven ist. Der Tag beginnt um 4 Uhr und besteht aus Selbststudium, Unterricht, sportlichen Aktivitäten und Zimmer aufräumen. Er endet in der Regel um 20 Uhr. Durch den Bezug, den ich des Öfteren zu Deutschland hergestellt habe, wurde mir bereits in den ersten Tagen bewusst, wie gut es uns in Deutschland geht und was für ein ausgewogenes Verhältnis von Freizeit und Bildung die Schulkinder hierzulande haben.

Auch der Alltag unserer Patenfamilie dort unterschied sich gewaltig von dem hierzulande. Üblich ist es dort, um 6 Uhr morgens aufzustehen und vor dem Frühstück zunächst die Hühner zu füttern, auf dem Acker Saatkörner auszubringen und das Obst von den Bäumen zu pflücken. Das Geld wird in erster Linie durch die landwirtschaftlichen Erträge verdient. Dabei spielt jedoch das Klima eine bedeutende Rolle- ohne Regen keine Ernte und damit kein Geld. Der Verdienst durch den Verkauf der Waren auf dem Markt ist überschaubar, denn für eine Avocado bekommt Kiki gerade mal 30 Cent. Das wird in schwierigen Zeiten zum echten Überlebenskampf, da sie alleine den Verkauf dieser Produkte als Einkommensquelle hat. Ja, da wird selbst eine Pizza oder eine mitgebrachte Salami zu etwas ganz Besonderem. Durch meine zahlreichen Mitbringsel und die Dankbarkeit, die mir dadurch entgegengebracht wurde, schien es wie Weihnachten, das dieses Jahr ausnahmsweise mal im März stattfand.    Nach meinen ersten Erfahrungen bei Kiki wurde mir klar, dass Geldverdienen keineswegs selbstverständlich ist, sondern harte körperliche Arbeit und das erforderliche Wetter für die Landwirtschaft voraussetzt. Auch die Erkenntnis, dass Bildung der Schlüssel ist, um aus dem Teufelskreis der Armut herauszukommen, bestärkte mich in meiner Auffassung, dass die finanziellen Mittel des Vereins an der richtigen Stelle eingesetzt werden.

Die zweite Patenfamilie lebt nahe Kisumu im Westen Kenias an der Grenze zu Uganda. Auf der Reise ins Dorf, wo europäische Touristen so gut wie nicht hinkommen, fiel ich mit meiner weißen Hautfarbe sehr auf. Die drei Patenmütter Linet, Everlyne und Caroline mit ihren insgesamt 10 Kindern haben mich sehr herzlich empfangen. Die Gastfreundschaft war trotz der Armut und Bedürftigkeit überwältigend. Das Willkommensessen wurde auf dem offenen Feuer, das als Kochstelle dient, in der „Küche“ zubereitet. Jeder Wohnbereich besteht aus einer separaten Hütte- Wohnzimmer, Küche, Bad, Schlafzimmer. In der Küche liefen die Hühner ein und aus, und auch im Wohnzimmer kroch so manch exotisches Tier herum.

Gekocht, gewaschen, geduscht und abgewaschen wird mit dem Wasser, das dank des neuen vom Verein finanzierten Brunnens nun gepumpt werden kann. Vorher wurde das Wasser mit 20 Liter-Kanistern aus dem anliegenden Fluss geholt, der Wasserquelle und „Dusche“ zugleich war. Aber auch das Wasserpumpen bei 30 Grad ist eine schweißtreibende Anstrengung. Meine Anpassung an diesen Lebensstil ließ die europäischen Standards für mich schnell in den Hintergrund rücken.

Tagsüber waren die Kinder und ich aktiv. Ich habe ihnen das Frisbee- und Badmintonspielen beigebracht, das sie durch ihr schnelles Aufnahmevermögen sehr bald sehr gut beherrschten. Da die Kenianer die besten Ausdauerläufer in der Welt sind, war zu erwarten, dass ich es mit Gegnern zu tun habe, deren Spieltaktik von Schnelligkeit und Ausdauer geprägt war. Was soll ich da noch machen? Wenn wir mal nicht sportlich aktiv waren, so sind wir an den Fluss gelaufen, um einmal zu Fuß nach Uganda zu gehen. Außer den Kühen, die dort ebenso den Fluss passierten, schwammen einige Menschen in ihm, ohne Angst vor den Krokodilen zu haben, die sich etwas entfernter im tiefen Wasser aufhielten.

An den Abenden hatten wir in großer Runde die Möglichkeit, uns unsere beiden Kulturen und Länder etwas näher zu bringen. Viele Afrikaner denken, dass weiße Leute von Natur aus reich sind und dafür nichts tun müssen. Immer wieder muss ihnen erklärt werden, wie hart auch wir für unser Geld arbeiten müssen. Nun ja, die Rahmenbedingungen hierzulande sind andere, doch kann man mit Eigeninitiative und Ehrgeiz auch dort in den Ballungsräumen gut Geld verdienen. Richtig gute Stimmung kam aber auf, als die drei Patenkinder männlichen Geschlechts doch von einer weißen Frau schwärmten und sich so erhofften, ein Leben in Deutschland bestreiten zu können. Schlau sind sie, denn hierzulande gibt es Rente, Kindergeld oder gar Arbeitslosengeld, das den Kenianern sehr fremd ist.

Nach alledem, was ich erlebt habe, kehre ich mit mehr Dankbarkeit und Bewusstsein für all die Dinge, die wir hierzulande haben, zurück.

Unvergesslich und prägend bleiben die Gastfreundschaft und Fröhlichkeit der Patenmütter und -kinder, die sie trotz ihrer Armut Tag für Tag leben. Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein, denn manchmal sind es kleine Dinge, die zum richtigen Zeitpunkt einen Menschen zum glücklichsten der Welt machen.

Sehr positiv wird mir die Einstellung der Kinder zur Schule in Erinnerung bleiben. Ihnen ist bewusst, dass sie mit ihrem fleißigen Lernen eines Tages etwas erreichen werden.

Sollte der ein oder andere von Ihnen daran interessiert sein, einem Kind den Schulbesuch zu ermöglichen, so erleichtern Sie nicht nur dem Verein die Suche nach weiteren Sponsoren, sondern geben dem Kind eine Zukunft und eine Perspektive, für die es sehr dankbar sein wird.

Ihr Loris Halama