Kenia – von meinem Abenteuer zum Alltag
Ich fliege nach Kenia!
Warum, fragt ihr euch sicherlich! Afrika war schon seit der Grundschule das Ziel meiner Träume! In einer Schule Kindern etwas beizubringen und mich in einem Dorf engagieren zu können. Diesen Traum zu verwirklichen wurde mir durch die Unterstützung des Vereins Lively Sunrise e.V. ermöglicht. Auf diesen Verein bin ich durch Kuchenbasare bei uns an der Schule aufmerksam geworden und habe daraufhin Frau Jäger angesprochen und von da an war sie meine Ansprechpartnerin für alles!
Ich entschied mich für 9 Wochen an die kenianisch – ugandische Grenze zu fahren. 4 Wochen im Dorf Nyakwaka den Alltag zu leben und anschließend mit zwei der Patenkinder an die Grundschule „Victorine Education Centre“ in Bumala zu gehen.
08. Dezember. 5 Uhr. Berlin. Flughafen Tegel. Es ist soweit! Ich zittere am ganzen Körper und mein Bauch dreht sich im Kreis und man, worauf hab ich mich hier eigentlich eingelassen? Wie werde ich ohne Strom und fließend Wasser leben? 35°C und keine Dusche?! Das wird eine stressige Zeit!
Auf dem Dorf angekommen, wurde ich sehr herzlich von der Gastfamilie willkommen geheißen und mit traditionellen Essen (Ugali und Sukumawiki) empfangen. Nachdem ich mit allen im Garten zusammensaß fielen mir drei Farben auf, von denen das Leben hier dominiert wird! Blau, Grün und Rot! Wow!
Jetzt will ich doch erst mal duschen, schließlich liegen ein ganzer Tag und eine ganze Nacht Flug hinter mir! Duschen ist gut gesagt! Man hat eine Schüssel, die man mit Wasser befüllt und stellt sich inmitten eines Holzgestells, das rundum abgedeckt ist und da darf man dann „duschen“. Echt gewöhnungsbedürftig! Die Toilette ist auch nicht sehr komfortabel. Eine kleine Hütte und, wie soll ich sagen, es ist ein Loch im Erdboden, über das man sich hocken kann. Daran soll sich ein Stadtkind dann mal gewöhnen! Nach meinen ersten Erfahrungen mit dem „Bad“, habe ich nach und nach Bewohner des Dorfes kennengelernt und jeder fragte mich, warum ich den Luxus in Europa aufgebe, um jetzt in einer kleinen Hütte in Kenia genauso wie sie, in meinem Alltag die Mahlzeiten mit der Hand auf dem Boden esse und auf Strom und fließend Wasser verzichte.
Recht hatten sie! Noch am selben Abend fragte ich mich: Was ist mit einem Kühlschrank?
Hah! Entweder in die dunkle Küchenkammer oder eben direkt essen.
Was ist mit einer Waschmaschine? Nichts da! Alles wird mit der Hand gewaschen! Wie? Indem man ganz viel Wasser pumpt und alles einzeln in kleinen Wäscheschüsseln wäscht oder man wäscht sie im Fluss am Rande des Dorfes.
Was ist mit meinem Handy Akku? Den kann ich nur in den Shops am Hauptweg aufladen lassen. So viele Dinge, die für uns selbstverständlich sind, gibt es hier einfach nicht!
Mit großer Unterstützung und dem tollen Humor der Gastmutter Linet habe ich mich an alles gewöhnen können. Die Zeit verging, wie im Flug! Ganz besonders war es an Weihnachten, meinem Geburtstag und an Silvester. Ich erlebte, mit wie viel Mühe und wenig Geld die Familien die Festtage besonders gestalteten. Leider musste ich auch feststellen, dass, wie so oft, die Frauen die ganze Arbeit übernahmen.
Ausflüge in die 60 km entfernte Grenzstadt Busia waren für mich ebenfalls ein Höhepunkt! Grund dafür waren vor allem die ungewöhnlichen Verkehrsmittel! Erst stiegen wir auf das Fahrradtaxi, danach ging es weiter mit dem Piki Piki, witziges Wort, oder? Das Piki Piki ist ein Mopedtaxi. Anschließend geht es ins Matatu, einem überfüllten Omnibustaxi. Und dann nochmal ein kleiner Teil mit einem weiteren Piki Piki, bis man dann endlich in der Stadt ist. Vergesst nicht! Es sind 30°C plus, pralle Sonne und super schwül! Ein echt langer und harter Weg für uns!
Jetzt endlich steht dann auch mein erster Schultag an! Ich werde vor neue Herausforderungen gestellt und werde, ohne es zu wissen zur Kämpferin für Kinderrechte! Ich bekam einen Rundgang über das Schulgelände und lernte die Schüler und Lehrer kennen. Direkt danach wurden mir Bücher in die Hand gedrückt, sodass ich schon am nächsten Tag als vollwertige Lehrkraft mit in den Schulalltag eingebunden werden konnte.
Nach diesen ersten Eindrücken an der Schule, dachte ich, mich trifft der Schlag! Stellt euch vor: Zwei Schüler kommen in das Lehrerzimmer und werden mit einem 50 cm langen Stock auf den Po geschlagen!
Ich wusste nicht, was geschieht und sprach den Lehrer direkt an. Dieser erklärte mir seelenruhig, dass das ihre Strafe war, weil sie keine Hausaufgaben gemacht hatten! Wie bitte !?
Nachdem ich total aufgelöst eine Sprachnachricht über WhatsApp an Frau Jäger geschickt hatte, bekam ich binnen weniger Stunden von ihr Material zum Thema Kinderrechte über WhatsApp zugeschickt, mit dem ich am nächsten Tag begann für die Rechte der Kinder zu argumentieren.
Im Austausch mit Frau Jäger plante ich ein Arbeitsprogramm für die Lehrer, sodass wir am Ende in Gruppenarbeit pädagogische Methoden entwickeln können und das Schlagen ein Ende findet! Ein positiver Nebeneffekt, auf diese Weise lernen die Lehrer endlich Gruppenarbeit kennen. Denn so etwas wie Partner- und Gruppenarbeit kannte hier wirklich niemand, denn das Reden im Unterricht rief ja Schläge durch den Lehrer hervor, da war es besser zu schweigen!
Die Abende verbrachte ich immer mit «meinen» Schülern. Dabei kam uns immer mehr der Gedanke, dass wir gemeinsam etwas Großes und Bleibendes schaffen wollten! Nach Rücksprache mit der Vereinsleitung von Lively Sunrise e.V. entschlossen wir uns dazu, den Schlafraum der Mädchen und den der Jungen zu streichen! Die Wände waren schmutzig und sie fühlten sich hier schon lange nicht mehr wohl! Gesagt – getan? Ein langer Weg stand mir persönlich bevor und der war zeitweilig sehr steinig.
Doch der Reihe nach!
Wir einigten uns erst auf eine Grundfarbe und fertigten dann an den Abenden in der Woche Skizzen an, mit den Motiven, die wir für die Dekoration der Wände zusammen auswählten. Ich kümmerte mich um die Materialbesorgung, mit dem Verein „Lively Sunrise e.V.“ als Hauptsponsor im Rücken, wer das kein Problem, denn für das Wohl der Kinder ist fast alles möglich!
Ich war total erstaunt, dass so gut wie alle Schülerinnen und Schüler noch nie einen Pinsel in der Hand hatten! So musste ich wirklich alles, aber wirklich alles was mit dem Malern zusammenhing zeigen und erklären. Dazu die Vorbereitung organisieren, ich sage nur: ausräumen und Spinnennetze entfernen und abkleben der Flächen, die keine Farbe abbekommen sollten, abhängen der verbliebenen Bettgestelle und zusehen, dass ich mit 55 Schülern alles gebacken kriege! Ehrlich, ich kam bei dieser Aufgabe echt an meine Grenzen!
Zusätzlich musste ich mir noch Gedanken machen, wie ich die mitgebrachten Moskitonetze für die Fenster anbringen konnte, wo die Fenster nicht im Entferntesten den europäischen Fenstern entsprachen – auch hier half ein kurzes Telefonat mit Frau Jäger und das Problem war gelöst! Danke an dieser Stelle für die Geduld beim Zuhören meiner manchmal recht aufgeregten Anrufe und die zahlreichen konstruktiven Ideen bzw. Lösungsansätze!
Am Ende waren alle super glücklich und stolz und genauso müde! War das eine Arbeit! Weitere Aktionen besprach ich mit Familie Jäger: Wir wollten unter anderem das Geschirr ersetzen, da das alte einfach total ramponiert war und ein neues Seil für den Zugbrunnen kaufen. So organisierte die Klasse 7B des Europäischen Gymnasiums Bertha-von-Suttner spontan einen Kuchenbasar und es kam tatsächlich so viel Geld zusammen, dass ich meinen Einkauf und das viele Handeln starten konnte!
Zum Abschied habe ich allen die neuen Tassen, Teller und Wasserkrüge, das Besteck und die Kochtöpfe als wunderbares Geschenk überreicht! Wenn Ihr das hier lest, könnt Ihr euch nicht die Freude vorstellen, die derart einfaches Geschirr auslösen kann! Aber es war wirklich überwältigend und trieb mir die Tränen in meine Augen!
Es fiel mir unglaublich schwer mich von den Schülern und den Lehrern zu verabschieden! Alle hatten sich in der Mensa versammelt und der Direktor, die Schulleiterin und einige Schüler hatten mir eine kleine Abschiedsrede vorbereitet! Der Schulsprecher beendete seine Rede mit der Frage: „Boys and girls, what are we doing for the next time, teacher Emine is coming here?“ Und alle antworteten: „We are going to close all the doors and windows, so that she can’t go!“ Ich war so unglaublich gerührt! Denn ich hatte mich so sehr an sie gewöhnt und wollte am liebsten noch viele weitere Projekte mit ihnen starten!
Ciao, bis bald wieder, denn ich bin fest entschlossen, bei nächster Gelegenheit wiederzukommen, um die weitere Vorhaben umzusetzen! Danke an den Verein Lively Sunrise e.V., der mir zu unvergesslichen Wochen im Herzen Kenias verhalf!
Emine Istek